1 Euro-Spargel im Januar?


Ja, ich weiss, es ist keine Spargel-Saison, aber das interessiert mich als Gerne-Spargel-Esser nicht sonderlich, wenn ich ein halbes Kilo gut aussehendes, weißes Stangengemüse für 99ct bekomme (kurz vor Ladenschluss herunter gesetzt!). Da gibt es ein kurzes Zucken, weil „Peru“ auf der Verpackung steht, aber soll ich den Spargel deshalb dem Müll überlassen?

Überhaupt ist das eine interessante Diskussion, die sich aus diesem Kauf ergibt. Einerseits werde ich als Koch mehr und mehr auf Saisonales angesprochen, also gehört Spargel im Januar eigentlich gar nicht in diesen Blog und nicht auf den Herd.
Die zweite Seite der Geschichte, ist die Umwelt, an die ich kurz dachte, als ich das Herkunftsland auf der Verpackung las. Geht das noch, wenn ich als umweltbewusster Mensch an den beim Import entstehenden CO2-Ausstoß denke?

Ein dritter Aspekt, der dann FÜR den Kauf des wirklich gut erhaltenen und einwandfreien Spargels sprach, ist die aktuelle Diskussion über Lebensmittel, die wir einfach so in den Müll werfen, und das, laut Forschungsergebnis, in Massen!

Ziehe ich nun einen Strich unter die „Rechnung“, so habe ich 2:1 Argumente gegen den Kauf.

Aber stehe ich als Koch jetzt hier als „Sünder“, der sich in der Öffentlichkeit besser nicht als „Peru-Angebots-Spargel-Käufer“ outen sollte?

Liebe Leser, ich sage Euch was: Ich achte nach Möglichkeit in meinem Leben auf ein umweltbewusstes Verhalten. Mir tut es aber auch in der Seele weh, wenn Lebensmittel, die in einem 1A-Zustand sind, für „`n Appel und `n Ei“ verschleudert oder bei Nicht-Vekauf gar „entsorgt“ werden! Ich finde, in unserer Welt sollte nichts an Essbarem im Müll landen. Keine Angst, es folgt kein Hinweis auf den Hunger auf unserem Planeten.

Viel schlimmer finde ich, dass wir verlernt haben, mit Dingen respektvoll umzugehen, die wir inzwischen als selbstverständlich erachten. Die Märkte sind voll, wir bekommen zu jeder Jahreszeit fast alles an Gemüse und Obst und das in bedarfsdeckenden Mengen. Und so scheinen wir zu glauben, es gäbe ein Überangebot und entsprechend gehen wir mit Lebensmitteln um. Irgendwie traurig…

Deshalb bin ich während meiner KochParties auch bestrebt, den Teilnehmern/innen zu erklären, was man aus übrig gebliebenen Zutaten noch machen kann. In meiner Ausbildung habe ich das intensiv lernen müssen und im Grunde genommen ist fast alles in der Küche verwendbar, aber auch das haben viele Menschen, denen die Praxis in der Küche fehlt, verlernt.

Aber zurück zum Spargel im Januar. Ich kaufte ihn, weil ich Lust auf dieses Gemüse hatte, Appetit, weil der Preis geradezu lächerlich günstig war für diese Qualität. Dürfen wir also nicht mehr einfach das machen, wozu wir Lust haben? Muss ich mir bei jedem (kulinarischen) Vergnügen neuerdings immer erst die Frage stellen, wieviel CO2 für ein Produkt in die Welt geblasen wurde und muss ich mich dann auch noch in irgendeiner Weise „schuldig“ fühlen??? Das kann es ja nicht sein.

Hier ist ein Fehler im System. Natürlich sollte der Konsument im Interesse der Umwelt und der uns nachfolgenden Generationen auf sein Käuferverhalten achten. Aber wenn wir diese Gesellschaft ändern wollen, muss der Ansatz ein anderer sein. Wenn kein Spargel aus Peru im Supermarkt liegt, kann ich keinen kaufen. Wenn der Preis für uns Konsumenten so niedrig ist, dass die Ware als „Schnäppchen“ wahrgenommen wird, darf sich niemand wundern, wenn wir bereit sind, das Portemonnaie zu zücken. Eine sogenannte Schuld kann nicht auf das Fundament der Pyramide abgewälzt werden. An der Spitze sitzen letztendlich jene, die zulassen, was wir in den Supermärkten kaufen. Dazu kommt der soziale Status der Masse und hier ist es nun einmal so, dass wir zu günstigeren Produkten greifen, manchmal sogar greifen müssen.

Durch meine Erfahrung als Koch habe ich gelernt, dass bestimmte Lebensmittel nach dem Preis schmecken, ich also für bessere, geschmackliche Qualität, auch mehr bezahlen muss. Aber die Konsumenten als Ganze, sollten es sich auch leisten können und sie sollten sich darüber im Klaren sein, wie z.B. ein Kilo Krustenbraten vom Schwein „produziert“ wurde, wenn es für 2,99 € zu haben ist!

Wir sollten zunächst damit beginnen, guten Produkten wieder den entsprechenden Wert beizumessen, bevor wir zu jedem Lebensmittel panisch CO2-Emissionen ausrechnen, wie bei einem Pfund peruanischen Spargel, den der Import nach Deutschland verursacht hat!


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